Renners ReVision vom 3. Oktober 2020
Vor genau vier Jahren hielt unsere Frau Bundeskanzler Angela Merkel eine vielbeachtete Rede zum Feiertag der Deutschen. Dokumentiert vom Focus. Hier und jetzt soll dargestellt werden, was sie vermutlich dachte und uns – den Deutschen – damit eigentlich sagen wollte. Sagen wollte? Gezeigt hat sie uns ja das Gleiche auch schon einmal, als sie 2013 einem ihrer Apparatschiks nach ihrem Wahlsieg kurzentschlossen die Deutschlandfahne entriss und sie im hohen Bogen von der Bühne in den Hallenstaub warf.
Focus: „Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat zum 26. Jahrestag der deutschen Einheit dazu aufgerufen, den zentralen Freiheitsruf der DDR-Bürgerrechtsbewegung gegen Rechtspopulisten zu verteidigen. Man müsse dagegen auftreten, wenn Menschen mit rechtem Hintergrund ‚Wir sind das Volk‘ riefen, sagte Merkel am Samstag in einer Videobotschaft.“
Dieser Ruf sei während der friedlichen Revolution in der DDR „ein sehr emanzipatorischer“ gewesen. „Heute haben wir eine andere Situation: Wir haben heute eine Ordnung, in der jeder das Recht hat, frei seine Meinung zu sagen, zu demonstrieren. Und deshalb muss man sagen: Alle sind das Volk“, betonte Merkel. Heute werde der Ruf von Menschen verwendet, die glaubten, zu kurz gekommen zu sein, aber auch von solchen mit rechtem Hintergrund – „was ich natürlich nicht richtig finde und wogegen wir auch auftreten müssen“.
Soweit der Focus und so gut oder so schlecht, jeder nach seinem persönlichen Merkel-Affinitätskoeffizienten.
Wir alle kennen die seltsam verschwurbelten Satzkonstruktionen unserer Frau Bundeskanzler. Satzkonstruktionen, die immer so seltsam empathielos, so wenig reflektierend und so leicht vernuschelt – nein, verlispelt – dahertropfen. So, als wolle sie das eben Gesagte im selben Atemzug dekonstruieren und einer neuen – ebenso unbeständigen – Deutung zugänglich machen.
So im Sinne von: „Das was ich gerade gesagt habe, ist auch als dessen Gegenteil zu verstehen“.
Vorstellbar wäre, von der Kognitionswissenschaft empirisch allerdings noch nicht bestätigt, dass sich in den für die Sprache zuständigen Hirnarealen der Dame zwei Ebenen erbittert um die Vorherrschaft, um das Recht der Lautwerdung, streiten.
Hier nun die Fragmente der damaligen Ansprache, die aus dem anderen Hirnareal stammen könnten, die zwar gedacht, aber nicht durch die Zunge und den Kehlkopf vertont wurden:
„Liebe Untertanen,
heute feiern wir unseren nationalen Feiertag. Den Tag der Deutschen Einheit.
Nicht wenig aufgebracht bin ich darüber, dass mein Volk, zumindest ein großer Teil davon, genau diese Einheit, die wir als – noch – ungekrönter Souverän doch mit Fug und Recht erwarten dürfen, einfach in Zweifel zieht. Das Pack erdreistet sich in unverschämter Weise, die Ode unserer Einheit „Wir sind das Volk“ mit gänzlich anderen Intentionen anzustimmen, als die, die ich zu dekretieren beliebe.
Was erdreisten sich hier die Vielen? Wer hat sie hierzu ermächtigt, eigene Beurteilungen über meinen Staat, mein Staatswesen anzustellen?
Ich, der Bundessouverän Angela, habe die Deutungshoheit über das Gesellschaftliche. Es liegt ausschließlich in meiner Autorität, die zukünftige Zusammensetzung meines Volkes zu bestimmen.
Ich habe souverän und autonom entschieden und in die Wege geleitet, dass sich mein zukünftiges Staatsvolk in zwei Sphären widerspiegeln soll. Einmal Diejenigen, die mit ihren Familien schon seit Generationen hier angesiedelt sind, fleißig arbeiten und einen Großteil ihrer erschufteten Einkünfte als Tribut an meine Staatsorganisation abzutreten haben.
Zum anderen Diejenigen, die als unsere Geschenke hierhergekommen sind, und die uns helfen sollen und werden, diesen meinem Staat übergebenen Tribut zu verzehren und aufzubrauchen.
Es ist doch wohl eine Frage der gelebten christlichen Barmherzigkeit, dass wir – zum Beispiel – den gerade erst einmal 30-jährigen Siad al Muppel herzlich empfangen. Der sich aus dem wüsten Somalia aufgemacht hat, nachdem seine 20-köpfige Familie im Schweiße ihres Angesichts 10.000 Dollar zusammengerafft, zusammengeraubt, zusammengespart hat, um ihm die gefahrvolle Überfahrt in unser so hoch gepriesenes Wohlstandsland zu ermöglichen.
Ich, Angela, mute es Euch, die Ihr mein Volk seid, einfach zu, dass Ihr mit Freude und dem Wissen, dass Ihr gute Menschen sein wollt, für unseren lieben Siad hinkünftig den notwenigen Unterhalt verdient.
Was hat mich in dieser Frage Recht und Gesetz zu scheren? Hier geht es doch um gelebte und notwendige Humanität, die wir aller Welt doch schuldig sind, weil sie alle Welt von uns erwartet.
Selbstverständlich kann man die aktuelle wirtschaftliche und finanzpolitische Lage meines Landes als etwas „angespannt“ bezeichnen. Aber ich bin sicher, dass die Mehrheit meiner älteren Untertanen es verstehen wird, dass ihre Altersparvermögen zurzeit eben keine Zinserträge erbringen können. Ja, dann leben Sie halt von der Substanz Ihres Kapitals. In unserem Nachbarland wurde doch auch schon einmal – vor langen, langen Jahren – angeraten, dass man eben Kuchen essen solle, wenn man kein Brot habe.
Die Staatsfinanzierung durch haufenweise neu gedruckten Geldes, unserer so hoch geachteten Eurowährung, geht halt momentan dringlich vor. Ich bin sicher, jeder, der sich vierzig Jahre lang abgeschuftet hat, um sich ein kleines Sparvermögen für sein Rentenalter zurückzulegen, wird dafür absolut Verständnis haben. Und, wenn dieser ältere Sparer dieses Verständnis nicht leichten Herzens aufbringt, dann sage ich, mit allem Nachdruck, dass er eben ein „zu kurz gekommener Rechter“ ist. Und, dass ich den dann auch nicht mehr als meinen Untertan anerkennen möchte. Die Staatsraison hat hier doch eindeutig Vorrang vor dem Wohl des Einzelnen.
Und so weiter und so fort…
L’état c’est moi. Der Staat bin ich. Und nur ich. Und ich will nie mehr von diesen Rechten hören, dass sie das Volk seien.
Denn der Staat bin ich und damit auch das Volk. Und wenn die Aufsässigen, die sich „zu kurz gekommen Fühlenden“, die unsäglichen Rechten, ihr unbotmäßiges Verhalten nicht sofort ändern und sich irreversibel unterwerfen, dann sage ich denen ganz deutlich und unmissverständlich: Dann ist das nicht mehr mein Land!
Und weiter noch, wie weiland mein Amtsbruder König Friedrich August der Dritte zu sagen beliebte: Nu, da machd doch eiern Drägg alleene.
Einen schönen Feiertag, sei Ihnen gewünscht und gestattet.
Eure Angela, die Erste.“