Renners ReVision vom 20. Juli 2019
Die über Jahrzehnte gepriesene und von allen Seiten geförderte Individualisierung der Gesellschaft, das Einreißen gesellschaftlicher Konventionen, die Verächtlichmachung des Verbindenden einer Gemeinschaft zeigen heute Wirkungen, die alles andere als erbaulich und zukunftsweisend sind. Die dem Zusammenhalt der Gesellschaft, dem Zusammenhalt der Nation wenig förderlich sind.
Was ist denn überhaupt „Nation“?
Wikipedia klärt uns auf: „Nation ist die große, meist geschlossen siedelnde Gemeinschaft von Menschen mit gleicher Abstammung, Geschichte, Sprache, Kultur, die ein politisches Staatswesen bilden.“ Die Anthropologie, die Menschenkunde, spricht hier von einer Dreiheit, nämlich dem Zusammenwirken von „Gemeinschaft, Raum und Traditionen“. Heruntergebrochen auf die Alltagssprache kann man diese Dreiheit ganz einfach auch „Heimat“ nennen. Und diese Gewissheit über die Existenz des Phänomens „Heimat“ bildet bei dem heranwachsenden jungen Menschen das „Proprium“, das Gefühl und das Bewusstsein des „Eigenen“ aus.
Nebenbei: In der UN-Menschenrechtscharta wird die bedingungslose Verteidigung dieser Dreiheit aus „Gemeinschaft, Raum und Traditionen“ als rechtens und legitim dargestellt, wenn diese – von wem auch immer – angegriffen wird.
Die Nation ist die einende Kraft gegen das „Jeder gegen Jeden“.
Das „Wir“, nicht zuletzt geboren aus Not und Elend, ist heute dem „Ich – und die Anderen“ gewichen. Mann gegen Frau, Alt gegen Jung, Kinder gegen Eltern, homosexuell gegen heterosexuell, arm gegen reich, rational Denkende gegen irrational Fühlende, Gläubige gegen Ungläubige, Dumme gegen Gescheite – und jeweils umgekehrt. Die Gesellschaft ist regelrecht atomisiert, also in ihre Individuen vereinzelt. Die verbindende Klammer, das nationale Bewusstsein, die nationale Identität droht dem permanenten politisch-gesellschaftlichen Druck von links nicht standhalten zu können.
Rationalität wurde von linker Irrationalität verdrängt. Wahrhaftige Vielfalt, nämlich die geschichtliche Vielfalt der politischen und kulturellen Ideengeschichte erscheint übermalt, beschmiert und erdrückt von linker Ideologie. Einer linken, kulturmarxistischen Ideologie, die weder rationalen Argumenten zugänglich ist, noch überhaupt kritisierbar sei, da sie ansonsten dem freien Denken enge Leitplanken zöge. So ganz nach der scheinheiligen Forderung des „herrschaftsfreien Diskurses“, die in Wirklichkeit aber niemals etwas anderes war, als die Errichtung und die Durchsetzung der „diskursfreien Herrschaft“. Jenseits dieser postulierten Leitplanken befindet man sich schnell im politisch-gesellschaftlichen Orkus eines geradezu hysterisch-zitternden und nach Erlösung lechzenden Mainstreams. Dieser Mainstream strebt nach Höherem, nach nichts Geringerem als der Errettung der Welt. Die fast religiös anmutende Ideologie als Heilsbotschaft der Gegenwart.
Heute werden nicht mehr die Kinder erzogen, sondern ganze Gesellschaften.
Es herrscht der fest indoktrinierte Glaube, dass man beispielsweise die Anhänger mittelalterlicher archaischer Clan-Strukturen binnen kürzester Zeit zu westlich orientierten, allumfassend toleranten und abendländisch zivilisierten Welt-Bürgern erziehen könne – wenn man sich nur richtig Mühe gäbe. So betrachtet, meint auch „Integration“ nichts anderes als eine „Umerziehung“ binnen kürzester Zeit. Und: So betrachtet erklärt sich auch das nachhaltige Scheitern dieses Vorhabens.
Wenn man sich aber ohnehin darauf verständigt hat, Menschen erziehen zu können, ist der Schritt zum „Menschen-erziehen-müssen“ nicht mehr allzu weit. Man könnte (und müsste!) Bücher mit diesem Thema füllen, zu dem freilich noch zahlreiche weitere Aspekte hinzutreten – hier fehlt dazu der Raum. Und den Wissenschaften, den Medien und der Gesellschaft fehlen dazu mittlerweile die notwendige Freiheit und letztlich auch der Mut.
Deutschland fühlt schmerzlich das Fehlen des „Wir“.
Wollte man auf die Schnelle ein Fazit ziehen, so könnte man sich vermutlich ohne große Debatte darauf verständigen: Es fehlt heute das Verbindende, das Gefühl und die Überzeugung des „Wir“. Und ich rede hier nicht von dem „mia san mia!“ des bayerischen Fußballs. Ich rede von etwas, mit dem sich die Gemeinschaft identifizieren kann. Es fehlt die eigene Identität, die Vorstellung vom „Eigenen“ und das Beharren auf dem „Eigenen“. Den Deutschen – vornehmlich die im Westen aufgewachsenen Deutschen – hat man diese Klammer, diesen kulturellen, geistigen und moralischen Kitt auf schäbigste Art und Weise genommen. Und diejenigen, die schon recht früh, Anfang der achtziger Jahre, die „geistig-moralische Wende“ angemahnt haben um den Absturz in den seelen- und geistlosen Zustand unserer Nation zu verhindern, haben zwar Postulate verkündet, aber aus Feigheit, aus Faulheit oder aus grenzenlosem Opportunismus nichts wirklich unternommen. „Nation“ gilt und galt den linken Apologeten als ewiggestrig, anrüchig und damit politisch potentiell weit rechts. Viel zu weit rechts. – Ein Irrsinn!
Brauchtum, Tradition und Sprache – alles unterliegt der politisch befeuerten und überwachenden Gesinnungspolizei, die nur noch eine Regel zu verfolgen scheint: Alles, was „Identität“ ausmachen kann, also im wahrsten Sinne des Worte alles „Eigene“, wird zur unbotmäßigen Abgrenzung gegenüber „dem Fremden“ stilisiert. Dabei ist es nicht wirklich die „Liebe zum Fremden“, die diese Haltung kennzeichnet, sondern viel mehr „der Hass auf das Eigene“.
Abgrenzung verbietet sich dieser Tage, immerhin sind „bunt“, „tolerant“ und „vielfältig“ die neuen Zauberwörter, auf deren alleiniger Basis die Heilsbotschaft, die quasi-religiöse Welten-Rettung überhaupt erst gelingen kann. Das Argument, dass „Multikulti“ mitnichten und in jedem Falle als bunt zu bewerten sei, sondern mit sehr viel höherer Wahrscheinlichkeit „burkaschwarz“ daherkommen werde, dieses Argument wird aus dem öffentlichen Diskursraum verwiesen und mit einem quasi-vatikanischen Bann belegt und von den meinungsdominierenden jakobinischen Tugendwächtern „ex cathedra“ verkündet, weil bereits eine solche Betrachtungsweise die Inhumanität und A-Sozialität des Argumentierenden bestätige. Der Teufelskreis schließt sich.
Niemand weiß mehr, was das eigentlich „Verbindende und Einigende“ ist.
Integration bedeutet in erster Linie Identifikation mit der aufnehmenden Gesellschaft und ihren Wertefundamenten. Und Identifikation hat etwas mit Identität zu tun, wie schon die Begriffsverwandtschaft aufzeigt. Wenn es aber seit fast schon einer Generation das unermüdliche Bestreben des kulturellen Überbaus gibt, diese Identität zu negieren, zu verhöhnen und als „ewig-gestrig“ zu diffamieren und zu tabuisieren, dann muss man sich nicht wundern, wenn kaum noch jemand „Lust und Anreiz verspürt“ sich zu integrieren. Und selbst wenn er eine solche Lust verspürte, wohin um alles in der Welt soll er sich denn integrieren?
Nein, es ist viel schlimmer: Auch die eigene, die aufnehmende Gesellschaft verliert das Bewusstsein darüber, was sie eigentlich verbindet, was sie gemeinsam hat. Obendrein entsteht für Integrationsunwillige bewusst oder unbewusst ein enormer „Wettbewerbsvorteil“. Solange sie auf ihrer mitgebrachten Kultur beharren und gar nicht erst an Integration denken, dreht sich der Spieß um.
Jetzt werden wir „erzogen“, denn wir, die Mitglieder der sogenannten Aufnahmegesellschaft, geben uns ja vermeintlich nicht genug Mühe bei der Integration und entsprechender „Angebote“. Im Klartext: Der Import fest verankerter kultureller Strukturen führt in Kombination mit der Preisgabe einer verbindlichen nationalen Identität zur eigenen Desintegration. Aus Integration der Neuankömmlinge wird Desintegration der aufnehmenden Gesellschaft. Ein Beispiel typischer Begriffsumkehr – das klassische Beispiel linker Methodik, linker Denkmuster und kulturmarxistischer Zielsetzung, die eigentlich Zersetzung meint und realisiert
Wir haben den Komparativ verloren – den Garanten für Wettbewerb und damit unseren zukünftigen Wohlstand.
Es tritt die unsägliche Gleichmacherei hinzu. Natürlich hat das schlichtweg nichts mit der Würde und der Gleichheit des Menschen zu tun, die immer und in jedem Falle unangetastet bleiben muss!
Dieser politische Egalitarismus wird unsere Zukunft auf einem deutlich tieferen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Niveau als dem heutigen und aktuellen zu platzieren wissen. Wir leben in einer Zeit in der der Komparativ geächtet wird. Alle sind gleich. „Gleichheit“, unbedingte Gleichheit, wird in sozialistischen und kollektivistischen Gesellschaften – die nichts mit unserem nationalen Erbe zu tun haben – als Menschenrecht statuiert. Es darf kein „besser“, kein „intelligenter“, kein „schöner“ mehr geben. Gilt der Komparativ doch als ein Verstoß gegen die menschliche Würde.
Allen diesen Gleichheitsfaschisten sei gesagt: Dummes Zeug. Fortschritt, Entwicklung, resultiert immer, immer aus der Ungleichheit. Die Gesellschaft, die Nation profitiert davon, wenn der eine und auch der andere in seinem Handwerk „besser“ ist, als viele andere. Wenn es den intelligenteren Mitmenschen gibt, geben darf. Aus dem Komparativ entsteht Freiheit, Pluralität, Wohlstand und Entwicklung. Und Wettbewerb ist die Grundlage für Erfolg, Wohlstand und Wohlergehen.
Ja, auch im Parteiensystem muss der Komparativ wieder Einzug halten. Einheitlichkeit ist Einfalt und Einfalt ist Stillstand.
Nur so kann die Entwicklung, die Erarbeitung einer Zukunftskonzeption für unser Land, für unsere Nation gelingen.
Es kann also nur eine Schlussfolgerung geben:
Rettet erst die Nation!
Und erst danach retten wir anderes und andere.