Renners ReVision vom 4. April 2020
Ursprünglich sollte heute und an dieser Stelle ein Frontalangriff auf den beschämenden Blindflug unserer Bundesregierung im Zusammenhang mit der aktuellen Covid-19-Pandemie und den zu erwartenden fatalen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Konsequenzen stehen. Wie es aussieht, wird dieses Thema aber noch traurige Diskussionsgrundlage für einige Monate bieten.
Ich halte es – als einer von nur noch wenigen in der Partei verbliebenen Mitgründern der Alternative für Deutschland und dem einzigen Funktionsträger in dieser Gründungsgruppe – für dringend geboten, laut und deutlich über den Raison d´être, den Daseinsgrund, unserer Partei nachzudenken.
Das polit-mediale Establishment will die AfD zersetzen und zerstören
Schon unter „normalen“ Bedingungen sieht sich die AfD als einzige Oppositionspartei einem massiven Zersetzungs- und Zerstörungswillen des polit-medialen Establishments ausgesetzt. Gerne auch mit unlauteren Methoden. Nicht nur die Bundesregierung, auch sämtliche anderen Parteien, die klassischen Medien, große Teile der staatlich alimentierten und instrumentalisierten sogenannten „Zivilgesellschaft“ überbieten sich gegenseitig in Hass, Hetze und Zerstörungswillen gegenüber der Alternative für Deutschland.
Wie man als „politisch denkender“ Mensch – zumal als Bundessprecher – aber ausgerechnet in der größten sich anbahnenden existentiellen Krise unseres Landes seit dem Zweiten Weltkrieg laut über eine Spaltung der einzigen Opposition nachdenken kann, ist eine Frage, auf die es keine nachvollziehbare Antwort geben kann.
Das „treuherzige“ Beteuern, lediglich einen Denkanstoß zu einer offenen Debatte liefern zu wollen, beantwortet diese Frage jedenfalls nicht im Ansatz. Nein, alleine schon eine solche Begründung offenbart einen gewissen Abgrund an Treulosigkeit und Niedertracht, gegen die Ziele der Partei, gegen die Kollegen und Mitglieder und gegen die Wähler.
Auch in der Einigkeit darf, kann und muss es Verschiedenartigkeit geben
Wir brauchen gegenwärtig vieles. Wir brauchen endlich eine klare, inhaltliche Führung. Wir brauchen eine gemeinsame Strategie – eine gemeinsame Kommunikationsstrategie sowohl für heute, als auch für Szenarien, die aus der gegenwärtige Krise herausführen. Wir brauchen klare Wirtschaftskonzepte, die den Weg zurück zu einer sozialen Marktwirtschaft aufzeigen, die ihre Grundlage in der katholischen Soziallehre hatte und hat. Wir brauchen klare Konzepte, die uns weg von der zunehmenden Gesinnungsdiktatur der politischen Korrektheit und zurück zu einer freiheitlichen, rechtsstaatlichen Demokratie führen.
Es ist doch der wesentliche Garant in der Demokratie, dass der Wähler die Regierung und die sie kontrollierende Legislative mittels freier, gleicher und geheimer Wahlen bewerten und im Zweifel eben auch abwählen kann! Wurde es denn je deutlicher – als in den aktuellen, fast schon dystopisch zu nennenden Zeiten – wie dringend ein Austausch der Eliten, eine Reform der Evaluations- und Entscheidungsprozesse in unserem Land, ein Nachdenken über den Aufbau unserer Verwaltungs- und Beamtenstrukturen wäre?
Wurden je die Risiken deutlicher, die das geradezu hemmungslose Bekenntnis zur multilateralen, globalistischen Weltordnung mit sich bringt? Wurde uns je zwingender aufgezeigt, dass die Rückbesinnung auf den Nationalstaat, als Wert an sich, höchst notwendig ist? Und muss nicht gerade jetzt ganz klar und unmissverständlich die Frage nach den Nutznießern und Gewinnern dieses von den Eliten angestrebten „One-World-Phantasmas“ gestellt werden. Es gibt unzählige dieser Fragen, die benannt und beantwortet werden müssen.
Nur eine breit aufgestellte Volkspartei kann die Umkehr leisten
Nein, was wir derzeit ganz sicher nicht brauchen sind Personen, die Keile in den Körper und die Glieder unserer Partei zu treiben versuchen. Wir formierten uns einst und ganz am Anfang als „Graswurzelbewegung“ (Wahlalternative 2013). Aber das Wissen und die Überzeugung, dass die ach so notwendigen und grundlegenden Veränderungen nur auf parlamentarischem Wege zu bewirken seien, führte letztlich zur Parteigründung der AfD mit mir und weiteren 16 Gründungsmitgliedern in Oberursel im Jahre 2013.
Von Anfang an war klar, dass wir eine Volkspartei sein müssen und sein werden. Der gewählte Name „Alternative für Deutschland“ zeigte von Anbeginn an auf, dass es uns nicht um eine ideologisch in eine Richtung zielende neue Partei gehen sollte. Sondern um eine holistische, ganzheitlich denkende Alternative, die unsere Heimat „Deutschland“ als Ganzes reformieren, neu aufstellen und in eine glückliche Zukunft führen wollte und will. Ein als Antithese aufgestellter Widerpart zu dem heutzutage dominierenden international-sozialistischen, Freiheit zwar permanent psalmodierenden, aber letztlich die Unfreiheit des Bürgers hinnehmenden politischen Alt-Ensemble.
Der Primat des Politischen ist wichtiger als der Primat des Persönlichen
Eine Volkspartei muss verschiedene, teilweise auch differente innerparteiliche Strömungen aushalten. Das aber kann nur gelingen, wenn man sich mit höchster Priorität den zu erreichenden Zielen verschreibt. Unser prioritäres Ziel ist die Regierungsfähigkeit. Dazu müssen wir zwingend weiter wachsen. Bei Wahlen deutlich mehr Prozente an Wählerstimmen gewinnen. Jedes persönliche Anliegen irgendwelcher Protagonisten hat diesem Ziel untergeordnet zu werden.
Und hier sind wir am wesentlichen Punkt: Zwar werden beispielhafte Modellrechnungen angestellt, welche Zukunftsperspektiven sich einer konservativ-freiheitlichen AfD („Westen“) und einer „Flügel-AfD“ („Osten“) bieten könnten. Aus meiner Sicht ein eklatanter Fehler, der die Unfähigkeit zum politischen Denken und Wirken in ganz grundsätzlicher Weise aufzeigt. Jeder ist in unserer Partei austauschbar, Namen sind beliebig. Der eine „stößt eine Trennungs-Debatte an“, der andere möchte Kritiker „ausschwitzen“. Beide Aussagen laufen auf das gleiche hinaus, sie unterscheiden sich lediglich in der verbalen Stilistik. Beide Aussagen sind falsch, da der Primat des Persönlichen offenkundig den Primat des Politischen überblendet.
In Wirklichkeit zeigen sie nur eines. Die denkprozessuale Übernahme altparteilicher Gepflogenheiten, die institutionell und menschlich zu verwerfen sind. Schaffung, Etablierung, Instrumentalisierung eigener Netzwerke, Günstlingsbewirtschaftung, Gefolgschaftsakquisition. Da tut sich auf beiden Seiten keiner was.
Ich selbst bin als Gründungsmitglied, als langjähriges Landesvorstandsmitglied NRW bereits mehrfach mit diesen unsäglichen und schädlichen Realitäten konfrontiert gewesen. Abwahlantrag und Landesvorstandszerstörung durch Lucke auf einem NRW-Landesparteitag, weil ich mit meinem Freund Nigel Farage (damals UKIP) eine Kooperation im Bereich des EU-Austritts (DEXIT und BREXIT) anstrebte, welche Lucke unterbinden wollte. Sechzehn (erfolglose) Abwahlanträge gegen mich durch die Pretzell-Petry-Entourage, 2 Wochen vor den NRW-Listenwahlen zur Bundestagswahl 2017, weil ich als Landessprecher NRW gegen abgründige Klüngel- und Seilschaftsabsprachen, die mit undemokratischen und illegitimen Prozessen einhergingen, vorgegangen bin.
Unsere Aufgabe ist ein Mannschaftsspiel und kein Einzelsport
Genau diese Fehler dürfen wir nicht machen. Wir brauchen die bürgerlichen, konservativen und freiheitlichen Inhalte ebenso wie die sozialen, die nationalen und die patriotischen Inhalte. Weil wir in der AfD den oben beschriebenen holistischen und eben keinen ideologisierten Zielansatz haben. Wohlgemerkt: Soziale Inhalte, nicht sozialistische Inhalte – die unser Grundsatzprogramm ohnehin nicht hergibt. Und man kann patriotisch fühlen und handeln, ohne, dass in jedem gesprochenen Satz mindestens einmal – wenn nicht gar zweimal – zwingend das Wort „patriotisch“ enthalten sein muss.
Wir haben über diese unsere Inhalte zu debattieren. Allerdings haben wir die führenden Köpfe der jeweiligen Strömungen dafür „in Haftung“ zu nehmen, dass es bei den Inhalten bleibt. Eine Glorifizierung des einen oder anderen Protagonisten hat zu unterbleiben. Das haben wir einen Bernd Lucke gelehrt, das haben wir einer Frauke Petry gelehrt. Und das vermitteln wir gerade auch einem Jörg Meuthen und einem Björn Höcke und anderen. Dies hat für alle Beteiligten zu gelten.
Es sind nicht die verschiedenen Ansichten, die polarisieren und Wähler abschrecken. Es ist der Streit an sich, vor allem die jeweilige rhetorische Stilistik, in der diese Streits geführt werden. Solange die jeweiligen Opponenten nicht erkennen, dass keine Seite alleine in der Lage sein wird, die so dringend notwendigen Mehrheiten zu generieren, solange sollten wir sie persönlich maßregeln – nicht aber die jeweiligen Inhalte verteufeln. Das kann doch nicht so schwer sein?
Konzentrieren wir uns auf die verbindenden Elemente, denn genau diese sind unsere Stärke. Es obliegt nicht dem General hier oder dem Landesfürsten dort, uns von oben herab auf „seine“ – vielleicht nur individuellen – Ziele einzuschwören. Es obliegt einem Bundesparteitag, der Versammlung der Mitglieder, die verbindenden Elemente zu bewerten, abzuwägen und in parteiliche Programmatik zu gießen. Schluss mit „Entweder-oder“, wenn die Lösung so offensichtlich im „Sowohl-als auch“ liegt.
Wir alle sind die Alternative für Deutschland
Nie war eine grundlegende Opposition wichtiger, als gerade heute in der gegenwärtigen Situation. Wer immer noch meint, innerhalb der Partei über den einzig wahren Stein der Weisen zu verfügen, der gefährdet nicht nur die Chancen unserer Partei, sondern der gefährdet die demokratische, rechtsstaatliche Zukunft unseres Landes.
Zusammenhalt ist keine Einbahnstraße. Es bedarf weniger der Loyalität gegenüber einzelnen Protagonisten, als vielmehr der Loyalität gegenüber Deutschlands einziger und wirklicher Opposition.
Und das sind wir alle – die wir die „Alternative für Deutschland“ sind.
Es grüßt Sie freundlich
Ihr
Martin E. Renner, MdB
… und bleiben Sie gesund.